Schwerhörigkeit und Demenz
Die zunehmende Lebenserwartung in Deutschland geht mit einer steigenden Prävalenz und Inzidenz demenzieller Erkrankungen einher [7]. So leiden aktuell in Deutschland etwa 1,5 Millionen Menschen an einer Demenz [5]. Georges und Kollegen [7] gehen davon aus, dass sich die Zahl der Demenzerkrankten bis 2050 fast verdoppeln wird. Auch treten jetzt schon Beeinträchtigungen des Hörvermögens im Alter bei etwa 20% der 60- bis 69-Jährigen und 40% der 70- bis 79-Jährigen in Deutschland auf [14].
Entwicklung 2025 bis 2050 am Beispiel Deutschland
Dabei gilt eine Hörbeeinträchtigung im mittleren Lebensalter als ein relevantes Risiko für ein späteres demenzielles Geschehen. So nennen Livingston und Kollegen [11] einen Hörverlust als den wichtigsten modifizierbaren Risikofaktor einer Demenz. Auch zeigte die Studie von Lin et al. [9], dass der Schweregrad des Hörverlustes signifikant mit schlechteren Leistung in kognitiven Screenings zur Erfassung der globalen kognitiven Leistungsfähigkeit korrelierte. Ergänzend ergab eine englische Längsschnittstudie, dass ältere Menschen mit Hörverlust ein höheres Risiko haben, an einer Demenz zu erkranken als Menschen mit normalem Gehör [4]. Bildgebende Studien erweitern diese Befunde, indem sie zeigen, dass Personen mit einem Hörverlust eine akzelerierte Atrophie des gesamten Gehirns, aber auch regionaler Volumina des rechten Temporallappens im Vergleich zu Normalhörenden aufweisen [10].
Zudem geht ein altersgebundener Hörverlust einer Demenz etwa 5 bis 10 Jahre voraus, bei rechtzeitiger Korrektur ist möglicherweise der Krankheitsverlauf einer Demenz modifizierbar [1]. So scheint eine frühzeitige Behandlung des Hörverlusts sehr wahrscheinlich einen positiven Effekt auf die kognitiven Fähigkeiten im Alter zu haben [2, 3].
Allerdings werden Menschen mit Hörbeeinträchtigung von häufig genutzten kognitiven Verfahren nur unzureichend erfasst, ihre Leistungen unterschätzt oder sogar falsche Diagnosen gestellt, da die Durchführung dieser Verfahren ein intaktes Sensorium voraussetzt [6, 13]. So wird bei bis zu 16% aller Personen mit einer Hörbeeinträchtigung fälschlicherweise eine Demenz diagnostiziert [8]. Auch zeigten Wong et al. [15], dass kognitiv gesunde Patient*innen mit einem simuliertem Hörverlust bei auditiver Testmaterial-Darbietung im Vergleich schlechter abschnitten als jene ohne simulierten Hörverlust. Zudem erreichten die Patient*innen mit simulierten Hörverlust schlechtere Leistungen bei auditiv als bei ausschließlich visuell dargebotenem Testmaterial.
Prävalenz Demenzerkrankte heute und 2050
Vor diesem Hintergrund wurde der DiCoDi (Digitale Kognitive Diagnostik/ Digital Cognitive Diagnostic) zur Erfassung kognitiver Defizite bei Menschen mit Hörverlust entwickelt.
Quellen:
1. Albers et al (2015). Alzheimers Dement, 11(1) 2. Brewster et al (2021). J Gerontol A Biol Sci Med Sci, 76(5) 3. Choi et al (2021). J Alzheimers Dis, 81(3) 4. Davies et al (2017). JAGS, 65(9)
5. Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V., Selbsthilfe Demenz
(2016). 6. Dupuis et al (2015). Neuropsychol Dev Cogn B Aging Neuropsychol Cogn, 22(4) 7. Albers et al (2015). Alzheimers Dement, 11(1) 8. Georges et al (2020). Alzheimer Europe |
9. Jorgensen et al (2014). Audiol Today 26(1) 10. Lin et al (2011). Neuropsychology, 25(6) 11. Lin et al (2014). Neuroimage, 90 12. Livingston et al (2020). Lancet, 396(10248) 13. Meka (2021). Bachelorarbeit an der Universität zu Köln 14. Völter et al (2020). HNO, 68(3) 15. Völter et al (2021). Dtsch Arztebl Int, 118 16. Wong et al (2019). Neuropsychology 33(1) |
Entwickelt von Experten
Der neue digitale Demenztest
Der DiCoDi ist eine tabletbasierte neuropsychologische Testbatterie für Menschen mit Hörverlust und derzeit für Menschen, die älter als 50 sind, bestehend aus sieben Subtests sowie einer Selbsteinschätzung kognitiver Fähigkeiten und depressiver Symptome. Die Durchführungszeit beträgt ca. 30 Minuten, wobei alle Items ausschließlich visuell und in ausreichender Größe dargeboten werden. Die Auswertung erfolgt unmittelbar computerbasiert.
Vorteile des DiCoDi gegenüber herkömmlichen kognitiven Verfahren sind die einfache und schnelle Durchführbarkeit sowie die automatische computerbasierte Auswertung, wodurch an Zeit und Personal gespart werden kann. Zudem wird innerhalb von 30 Minuten eine Vielfalt an kognitiven Funktionen (u. a. Aufmerksamkeit, visuell-räumliche Funktionen und Zeitgefühl) überprüft, wodurch eine umfassende Einschätzung des kognitiven Status ermöglicht wird. Die Subtests basieren auf etablierten Verfahren, die eine starke theoretische Grundlage und breite empirische Evidenz aufweisen. Darüber hinaus beinhaltet der DiCoDi Verfahren, welche erst seit Kurzem Bedeutung für eine frühzeitige Diagnose kognitiver Beeinträchtigungen erlangt haben wie der Subtest „Zeitgefühl“.
Die Auswertung des DiCoDi erfolgt automatisiert anhand von validierten Daten in zwei Detailstufen: Zum einen für den Endnutzer in klar verständlicher Sprache und zum anderen für Experten. Letztere umfasst vom Scoring über die Domänen bis zu den Medianwerten alle relevanten Details. Hervorzuheben sind dabei die 8 Vergleichsgruppen (Alter, Geschlecht und Bildungsgrad), die alle Nutzereingaben präzisieren. Für jede Detailauswertung aller durchgeführten Tests wird ein globaler DiCoDi-Score ausgegeben, der alle Ergebnisse bewertet und zusammenfasst.